NLA – Vorschau auf den Playoff-Final oder der schnelle Weg zurück an die Spitze

Der SHC Belpa 1107 steht nach einem Unterbruch von nur einem Jahr im Playoff-Final der NLA. Überraschend? Auf den ersten Blick schon, aber auch auf den zweiten Blick?

Zeit der Veränderungen

Es wurde für die Streethockeyfans schon bald einmal langweilig, zumindest wenn sie nicht Anhänger der Rebells oder der Scopions waren. Von Mai 2011 bis Mai 2015 immer dasselbe Bild. Im Playoff-Final der NLA standen sich die Oberwil Rebells und der SHC Belpa 1107 gegenüber, nicht weniger als fünfmal hintereinander. Vier von fünf Auflagen entschieden die Zuger für sich. Bemerkenswert ist auch, dass sich Belp viermal nacheinander von 2012 bis 2015 im Halbfinal gegen den SHC Grenchen-Limpachtal durchsetzte. Wie auch immer, das beinahe schon ewige Finale zwischen den Gürbetalern und den Innerschweizern schien nach der fünften Auflage im Mai 2015 für längere Zeit beendet zu sein. Bei den Gürbetalern stand ein Generationswechsel an. Ein solcher dauert jeweils einige Jahre, länger, wenn er zu lange hinaus gezögert wurde. Die Gürbetaler hatten diesen vielleicht etwas zu lang hinaus gezögert. Aber das ist eine Gefahr, die mit dem Erfolg einhergeht. "Never change a winning team", das mag für eine Playoff-Serie eine gute Idee sein. Setzt ein Verein aber zu lange auf immer dieselben Spieler, ohne die nötige Kaderverjüngung aktiv anzustreben, dann verliert er im besten Fall für einige Jahre den Anschluss an die Spitze. Im schlechtesten Fall kann dies das Ende des Vereins bedeuten. Im Schweizer Streethockey konnte in der Vergangenheit beides beobachtet werden.

 

Nun gut, so schlimm stand es um die Skorpione zu keinem Zeitpunkt. Der Generationenwechsel setzte nur zwei oder drei Jahre zu spät ein. Als Konsequenz war es im Herbst 2015 absehbar, dass die Gürbetaler wohl während einiger Jahre nicht mehr an der Spitze der NLA auftauchen würden. Intern ging die Vereinsführung davon aus, dass es wohl drei bis vier Saisons dauern würde, bis der Generationswechsel vollzogen wäre und die Mannschaft in der Meisterschaft wieder um den Titel mitspielen könnte. Die Spielzeiten 2015/16 und 2016/17 sollten im Zeichen der Integration der jungen Spieler stehen. In der Spielzeit 2017/18 sollte die Mannschaft den Anschluss an die Spitze wieder finden, um schliesslich dann in der Saison 2018/19 wieder voll angreifen zu können. Soweit der Plan. Die Saison 2015/16 lief denn auch mehr oder weniger so, wie sie angedacht worden war. Die Spitzenteams aus Oberwil, Grenchen und Sierre erwiesen sich als zu stark für die Gürbetaler. Zwar konnte die Skorpione sie das eine oder andere Mal ärgern, mehr lag aber nicht drin. Nach der ersten Phase der Qualifikation belegten die Berner nur den fünften Schlussrang, noch hinter dem SHC Bettlach. Hingegen reichte die individuelle Klasse einzelner Spieler wie Alessio Faina oder Marc Müller relativ locker aus, um den SHC Bonstetten-Wettswil und die Kernenried Bulldozers auf Distanz zu halten. In den Playoff Viertelfinals setzten sich die Skorpione dann gegen den SHC Bettlach durch. Im Halbfinal waren die Rebells dann Endstation. Zum allgemeinen Erstaunen ging die Serie aber über drei Partien. Ein erstes Zeichen dafür, dass Übergangsphase kürzer ausfallen könnte als gedacht. Nicht, dass die Skorpione den Innerschweizern schon wieder ebenbürtig gewesen wären. Aber sie waren zumindest schon wieder so stark, dass es sich selbst die Rebells nicht leisten konnten, die Gürbetaler zu unterschätzen. Im Hinblick auf die Integration der jungen Spieler zeigten sich deutliche Fortschritte. Fabian Bohnenblust wuchs langsam in seine Rolle als einer der Leistungsträger der Mannschaft hinein. Dasselbe galt für Teighan Meier, bis er durch eine langwierige Oberschenkelverletzung zurückgeworfen wurde. Mit Iwan Kohler und Kevin Kiener waren zwei talentierte, relativ junge Spieler zur Mannschaft gestossen. Die Juniorenspieler Florian Bohnenblust, Mikel Fairclough und Dennis Nydegger standen bereits regelmässig in den Reihen der NLA-Mannschaft und mit Jona Wegmüller bestritt ein weiterer talentierter Juniorenspieler seine erste Partie im Fanion-Team.

 

 

Der Plan scheint ins Stocken zu geraten

In den ersten Monaten der Saison 2016/17 sah es noch nicht so aus, als ob die Skorpione im Frühjahr 2017 im Playoff-Final stehen würden, ganz im Gegenteil. In der Zwischensaison fand ein erheblicher Aderlass an Spielern statt. Thomas Fahrni trat zurück. Martin Reber trat kürzer, konzentrierte sich auf die zweite Mannschaft und stand der NLA nur noch in Notsituationen zur Verfügung. Dasselbe traf auch auf Yannick Strähler zu. Patrick Feuz, der mit seiner Erfahrung in der Spielzeit 2015/16 das Team unterstützt hatte, gab ebenfalls seinen Rücktritt bekannt. Sascha Burch zügelte aus beruflichen Gründen nach Winterthur und verliess die Mannschaft ebenfalls. Der unerwartete Höhepunkt des Aderlasses von erfahrenen Spielern war der Rücktritt von Luca Streich nach dem Cup Sieg über den SHC Grenchen. Eine Rücktrittswelle also, die es in sich hatte. Viele Clubs hätten ob dieser Situation die Hände verworfen und ihr Unglück lautstark und lange beklagt.

Nun, wer vergangener Grösse nachtrauert, der verbaut sich den Weg in die Zukunft. Eine Lösung wurde gesucht und eine Lösung wurde gefunden. In einer wohl auf diesem Level im Streethockey noch nie gesehenen Art und Weise setzten die Gürbertaler in der Saison 2016/17 auf die Junioren. Es gab Spiele in der Qualifikation, da standen beinahe mehr Junioren auf dem Spielbericht als andere Spieler. Mikel Fairclough, Dennis Nydegger, Jona Wegmüller, Stefan Zürcher, Florian Bohnenblust und Simon Meir spielten regelmässig in der NLA. Jesper Diener, Marc Bruni, Silvio Bruni, Janis Messerli und im Tor Lukas Baumgartner liefen mehrfach für die erste Mannschaft auf.

Darüber hinaus konnten die Gürbetaler drei interessante Zuzüge verzeichnen, alle samt aus der Nationalliga B. Von Worblaufen kam Jim Zingg. Vom SHC Berner Oberland kehrte Francesco Faina an seine alte Wirkungsstätte zurück. Ebenfalls von der Oberländern stiess Sean Oesch zu den Gürbetalern. Alle drei Zuzüge erwiesen sich im Verlauf der Saison als wertvoll. Natürlich benötigten sie eine gewisse Anlaufzeit, um sich an die NLA zu gewöhnen. Aber im entscheidenden Moment hatten sie Tritt gefasst. Schliesslich setzte auch Sandro Wittwer wieder voll auf Streethockey. Er ist nach wie vor einer der komplettesten Spieler im Schweizer Streethockey. Auch im Tor geschah erfreuliches. Nick Leuenberger entwickelte sich im Verlauf der Saison zu einer sicheren Nummer zwei hinter dem unverwüstlichen Sven Hofmann. Mit Lukas Baumgartner steht ein weiterer talentierter Torhüter in den Startlöchern.

Im Hinblick auf die Playoffs verstärkten sich die Gürbetaler mit dem kanadisch-griechischen Nationalspieler Stephen Alvo und mit Pascal Kohler. Letzerer ist der Bruder von Iwan Kohler und spielt in der 1. Liga Eishockey beim EHC Thun. Schliesslich kehrte Yannick Nydegger wie üblich in der zweiten Saisonphase zu den Gürbetalern zurück.

 

Die Qualifikation

Trotz den Abgängen, trotz der Eingewöhnungszeit der neuen Spieler und trotz mehrerer langwieriger Verletzungen verlief die Qualifikation besser als erwartet. Zwar starteten die Gürbetaler mit zwei Heimniederlagen in die Saison. Aber eine Mannschaft im Umbruch darf gegen die beiden Playoff-Finalisten des der vorangegangenen Saison verlieren. Zudem fielen beide Niederlagen nicht sonderlich hoch aus. Die erste Phase der Qualifikation entwickelte sich eigentlich wie erwartet. Die Spiele gegen Kernenried und Bonstetten konnten souverän gewonnen werden. Gegen Bettlach wurde es zweimal eng, aber am Ende gingen alle sechs Punkte ins Gürbetal. Gegen die drei Grossen, Oberwil, Grenchen und Sierre war – vorerst – wenig auszurichten. Das änderte sich erst im Dezember 2016. Alles begann mit einem 5:4 Heimsieg gegen Sierre in der Verlängerung. Es folgte ein erster Paukenschlag. Grenchen wurde aus dem Cup geworfen. Im Januar dann ein Rückschlag: Der Cup Viertelfinal gegen die Sierre Lions ging verloren. Die Skorpione wollten unbedingt gewinnen und hatten eine grosse Anzahl von Top-Spielern aus der Schweiz, aus Kanada und aus Tschechien eingeflogen. Nun es waren wohl zu viele. Die Niederlage im Wallis war es auch ein Zeichen, den eingeschlagenen Weg der Erneuerung nicht zu verlassen.

Die Resultate in der Zwischenrunde der besten vier Teams zeigten dann auf, welche Fortschritte das Team gemacht hatte. Grenchen und Sierre wurden je zweimal besiegt. Einzig gegen die Rebells bleiben die Gürbetaler sieglos. Gäbe es eine eigenständige Tabelle der Zwischenrunde, so belegten die Gürbetaler einen Punkt hinter den Rebells den zweiten Platz. Nun, es gab keine eigenständige Tabelle der Zwischenrunde. Es zählten alle Spiele. Und über die ganze Saison gesehen waren die Gürbetaler die Nummer drei. Keine schlechte Leistung dafür, dass die Mannschaft mitten im Umbruch steht.

 

Der Weg in den Playoff-Final

Im Viertelfinal trafen die Gürbetaler auf den SHC Bonstetten-Wettswil. Für die Belper war diese Serie in erster Linie eine Kopffrage. Die Skorpione hatten Mühe damit, sich auf den vermeintlich inferioren Gegner aus dem Kanton Zürich zu konzentrieren. Sie standen gedanklich wohl schon im Halbfinal gegen den SHC Grenchen. Da Bonstetten ohne Druck aufspielen konnte, verlief die Serie enger als erwartet; zumindest die erste Partie. In diesem Aufeinandertreffen wurstelten sich die Belper irgendwie mit 6:4 durch. Wobei Coach Ronny Strähler den Juniorenspielern viel Einsatzzeit zugestand, mit Nick Leuenberger nur die Nummer zwei im Tor stand und Stephen Alvo aufgrund einer Trainingsverletzung nicht zur Verfügung stand. Im Verlauf des zweiten Spiels fanden die Gürbetaler zurück zu ihren Stärken. Nach 28 Minuten waren die Partie und die Serie entschieden. Jetzt konnten sich die Belper auf den SHC Grenchen konzentrieren.

 

Der Start in die Halbfinals ging gründlich daneben. Drei Siege in Serie hatten in den Köpfen der Berner offenbar die Idee eingepflanzt, Grenchen liesse sich ohne Gegenwehr aus den Playoffs werfen. Nun, dem war nicht so. Schon bald einmal rannten die Gürbetaler einem 2-Tore-Rückstand, später einem 3-Tore-Rückstand hinterher. Immerhin, richtig zu distanzieren vermochten die Solothurner die Berner nicht. Am Ende des Spiels kamen die Skorpione noch bis auf einen Treffer heran. Zu mehr reichte es jedoch nicht.

Die zweite Partie nahm einen etwas anderen Verlauf und trotzdem sah es kurz vor Schluss so aus als würden die Gäste aus Grenchen mit zwei Siegen in den Final einziehen. Aber von vorne: Grenchen war feldüberlegen, scheiterte aber immer wieder an der Belper Abwehr und dem ausgezeichneten Sven Hofmann. Die Führung der Gürbetaler aus dem ersten Drittel glichen die Gäste im Mittelabschnitt aus. Im Schlussabschnitt brachte Müller die Skorpione erneut in Front. Doch Grenchen drehte das Spiel und ging vier Minuten vor Spielende durch einen Henzi-Treffer in Führung. Den Belpern schien die Zeit davon zu laufen. Doch dann geschah, was in den letzten Jahren bei Spielen zwischen den beiden Teams immer wieder geschehen war. Belp drehte das Spiel in den letzten 91 Sekunden. Francesco Faina erzielte den Ausgleich und Yannick Nydegger erzielte 32 Sekunden vor Schluss den Siegtreffer. Die Gürbetaler waren zurück in der Serie. Mehr noch, die Art und Weise, wie dies geschah, war geeignet, das Selbstvertrauen der Solothurner wenn nicht zu brechen, dann doch ernsthaft ins Schwanken zu bringen.

In der dritten Partie lagen die Grübetaler nach 20 Minuten mit 2:0 vorne. Am Ende des Mitteldrittels führten sie gar 5:1. Um die 50 Minute keimte kurz Hoffnung in den Reihen der Solothurner. Frkan und Rindlsbacher verkürzten auf 3:5. Bald darauf konnten die Platzherren während rund 90 Sekunden in doppelter Überzahl agieren. Doch der Anschlusstreffer fiel nicht. Kaum war Belp komplett, erhöhte Alvo auf 6:3. Das 7:3 durch Alessio Faina elf Sekunden vor Schluss war dann nur noch die Kirsche auf der Sahnetorte. Belp stand nach einem Unterbuch von nur einem Jahr wieder als Playoff-Finalist fest; deutlich früher als erwartet. Die Mischung aus erfahrenen Cracks und jungen leistungsbereiten Spielern hatte die Mannschaft weiter gebracht als Freund und Feind zu Beginn der Saison für möglich gehalten hätten.

 

Und nun steht der Höhepunkt an: Der Playoff-Final

Damit keine falschen Vorstellungen aufkommen. Der Generationenwechsel beim SHC Belpa 1107 ist keinesfalls abgeschlossen. Hier gibt es noch viel zu tun. Nach dem grossen Schritt vorwärts, der diese Saison gelungen ist, kann es auch wieder Rückschläge geben. Aber die Richtung stimmt und im Zeitplan ist die Mannschaft sowieso. Die Leistungsbereitschaft und der Erfolgshunger lassen sehr viel Gutes erahnen. So viel zur mittel- und längerfristigen Zukunft, aber wenden wir uns den anstehenden Playoffs zu.

Die Oberwil Rebells, da wird mir niemand widersprechen, sind der klare Favorit in dieser Serie. Alles andere als ein Sieg der Innerschweizer wäre eine faustdicke Überraschung. Doch die Serie muss zuerst gespielt werden. Belp kann befreit antreten, das Saisonziel ist schon mehr als erfüllt. Der Erfolgshunger der Berner ist aber bei weitem nicht gestillt. Die Rebells tun gut daran, die Skorpione ernst zu nehmen und nicht zu unterschätzen. Denn kommen diese einmal in Fahrt und zwingen das Momentum auf ihre Seite, dann, ja dann kann in dieser Serie alles, aber wirklich alles geschehen. Wie auch immer, die Zuger bleiben der klare Favorit. Können sie ihre Leistung optimal abrufen, wird es für die jungen Belper schwierig.

Freuen wir uns auf eine tolle Serie zwischen zwei starken Mannschaften. Und freuen wir uns auf das Duell der beiden besten Coaches im Schweizer Streethockey. Tibor Kapanek gegen Ronnny Strähler, das ist Perfektionismus gegen Improvisation, geniale slowakisches Taktik gegen einfaches, effizientes kanadisches inspiriertes Handwerk. All dies umgesetzt von einigen der besten Spielern, die dass Schweizer Streethockey bisher gesehen hat: Stephan Sidler und Sven Hofmann sind zwei absolute Spitze Torhüter. Adam Roušal, Andrew Hildreth und Stephen Alvo  gehören zu den besten Spielern der Welt. Raphael Melliger, Alessio Faina, Yves Stucki, Sandro Wittwer, Patrick Döbeli, Marc Müller alles Spieler, die sich in jeder Nationalmannschaft einen Stammplatz erkämpfen könnten. Fabian Bohnenblust und Tim Müller dürften der Schweizer Nationalmannschaft spätestens 2019 ihren Stempel aufdrücken. Mit dabei sind mit Bastian Steiger und Mikel Fairclough auch zwei der besten Juniorenspieler, die je auf Schweizer Streethockeyfelder aufliefen.  Wer immer Zeit hat, der soll nach Zug kommen, der soll nach Belp kommen. Streethockey ist längst mehr als eine Feierabendbeschäftigung auf düsteren Hinterhöfen. Es ist ein dynamischer, schneller, mitreissender Sport voll von Emotionen geworden.

Christoph Curchod, 13.04.2017

© 2020 SHC Belpa 1107